© dolgachov iStockphoto

Diabetestherapie bei Patienten mit Niereninsuffizienz und im Alter

Worauf bei geriatrischen Diabetespatienten zu achten ist

Dr. Edith Hartmann, Oberärztin am Ordensklinikum Barmherzige Schwestern der Elisabethinen Linz, weist darauf hin, dass bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion das Hypoglykämierisiko zunimmt. Ursachen sind eine Abnahme der endogenen Insulin-Clearance, der Clearance bestimmter oraler Antidiabetika und der renalen Glukoneogenese. Dazu kommen häufig eine Mangelernährung und Inappetenz. Dies müsse bei der Einstellung der Medikamente berücksichtigt werden, so die Ärztin

Für die Therapie im Alter verweist sie auf die aktuell erschienenen Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).1 Geriatrische Diabetespatienten sind häufig multimorbid, wobei für die Therapieplanung das Alter weniger eine Rolle spielt als der funktionelle Status. Die DDG-Leitlinie hat drei Gruppen definiert. Die erste umfasst funktionell unabhängige Patienten mit wenigen Komorbiditäten, nur geringer kognitiver Beeinträchtigung und guten Kompensationsmöglichkeiten. Funktionell leicht abhängige Diabetiker (Gruppe 2) sind multimorbide, haben funktionelle und kognitive Einschränkungen und leiden an geriatrischen Syndromen. In der dritten Gruppe finden sich Diabetiker mit extremen Einschränkungen, die funktionell stark abhängig sind und deren Lebenserwartung aufgrund ihrer Krankheiten verkürzt ist.1

Die Therapieziele beim geriatrischen Diabetiker sind vor allem der Erhalt der Lebensqualität und das Vermeiden von Hypoglykämien. Daher sind Gespräche mit dem Patienten wichtig, in denen er erklärt, welche Aspekte von Lebensqualität ihm wichtig sind. Daran sollte sich dann die Therapie orientieren. Dies bedeutet, dass beispielsweise der HbA1c-Wert oft keine so große Rolle mehr spielt wie bei jüngeren Diabetikern. Die Leitlinie empfiehlt, das HbA1c-Ziel an die vermutete Lebenserwartung (<15 Jahren bzw. >15 Jahre) des Patienten anzupassen (Tab. 1).1

Auch für ältere Typ-2-Diabetiker ist Metformin das Medikament der ersten Wahl. Es kann die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität senken, ist auch bei einer eingeschränkten Nierenfunktion zugelassen und hat ein geringes Hypoglykämierisiko. Nachteilig ist, dass es gastrointestinale Beschwerden auslösen kann und deshalb bei Patienten, die aufgrund anderer Krankheiten bereits an einer Mangelernährung leiden, diese noch verstärkt. Die Nierenfunktion sollte alle drei bis sechs Monate kontrolliert werden. Außerdem ist es ratsam, die Metformingabe zu unterbrechen, wenn potenziell nierenschädigende Maßnahmen geplant sind, etwa eine Röntgenkontrastuntersuchung oder eine Vollnarkose, bzw. auch wenn die Gefahr einer Hypoxie besteht.1

DPP4-Inhibitoren sind ebenfalls für ältere Diabetiker geeignet. Ihre Vorteile sind eine bequeme Einnahmefrequenz, geringe Hypoglykämiegefahr, Gewichtsneutralität und die Sicherheit bei Niereninsuffizienz in reduzierter Dosis. In Einzelfällen raten die Leitlinien auch zu GLP-1-Analoga, da sie ein geringes Hypoglykämierisiko haben und zur Gewichtsabnahme führen, falls dies gewünscht ist. Nachteile sind, dass die Medikamente injiziert werden und zu Übelkeit und Erbrechen führen können. SGLT-2-Hemmer können ebenfalls eingesetzt werden, da sie keine Hypoglykämien verursachen. Für Empagliflozin sind zudem ein günstiger Einfluss auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität sowie eine nephroprotektive Wirkung nachgewiesen. Das heißt, gerade funktionell unabhängige Patienten mit einer längeren Lebenserwartung könnten von dieser Therapie profitieren. Nachteile sind eine größere Anfälligkeit für genitale Pilzinfektionen, Polyurie und Exsikkose – dies könnte vor allem bei Patienten mit schon bestehender diuretischer Therapie oder bei mutimorbiden Patienten zu Problemen führen.1

Führen orale Antidiabetika nicht mehr zum Ziel oder sind diese aufgrund von Komorbiditäten kontraindiziert, kann auch beim geriatrischen Diabetiker eine Insulintherapie begonnen werden. Die Therapieform hängt ab von den kognitiven und feinmotorischen Fähigkeiten des Patienten, der Unterstützung durch sein soziales Umfeld sowie dem Therapieziel.

Bericht: Dr. Corina Ringsell

Literatur:

  1. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) 2018: S2k-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. AWMF-Registernummer 057-017

Tab. 1: Zielwerte in Abhängigkeit vom funktionellen Status des Patienten

Patientengruppe

Begründung

HbA1c

Präprandiale Blutglukose

Funktionell unabhängig: wenig Komorbidität keine kognitiven Einschränkungen

Lebenserwartung >15 Jahre Vorteile einer intensiven Therapie können erlebt werden.

6,5–7,5% (47,5–58,5 mmol/mol)

100–125mg/dl 5,6–6,9mmol/l

Funktionell leicht abhängig: sehr alt oder multimorbid oder leicht kognitiv eingeschränkt

Lebenserwartung <15 Jahren Vorteile einer intensiven Therapie können nicht erlebt werden. Erhöhtes Hypoglykämie- und Sturzrisiko

≤8,0% (63,9 mmol/mol)

100–150mg/dl 5,6–8,3mmol/l

Funktionell stark abhängig: pflegeabhängig oder kognitiv stark eingeschränkt

Begrenzte Lebenserwartung

<8,5% (69,4 mmol/mol)

110–180mg/dl 6,1–10mmol/l

Lebensende

Individuell mit dem Ziel der Symptomfreiheit

Back to top