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Antipyretische Therapie beim Kind

Vorgehen in der Praxis

Unser Interviewpartner:

Dr. Stefan Thalhammer
Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien
E-Mail: dr.thalhammer.stefan@gmail.com

Wann sollte Fieber bei einem Kind gesenkt werden?

S. Thalhammer: Grundsätzlich ist Fieber erst einmal ein Symptom und es gilt die Ursache zu klären und zu behandeln. Von der landläufigen Meinung, dass Fieber hilft, den Krankheitsprozess abzukürzen oder eventuelle Infektionen zu bekämpfen, halte ich nichts. Wichtig ist, dass die Betreuung zu Hause möglich ist. Ab einer gemessenen Temperatur von 38,5°C, aber auch bei Schmerzen, beispielsweise bei einer Ohrenentzündung, sollte ein fiebersenkendes Medikament verordnet werden. Dabei rate ich dazu, das Fieber rektal zu messen, da dies die genauesten Werte liefert. Messungen im Mund oder Ohr sind auch möglich, aber weniger genau. Durch das hohe Fieber verbraucht das Kind seine Glukosereserve sehr rasch. Es ist für die Eltern dann auch sehr schwierig, ausreichend Kohlehydrate und Flüssigkeit zuzuführen. Bei Kohlehydratmangel kommt es zum azetonämischen Erbrechen. Das Kind benötigt dann oft eine Infusionstherapie.

Gibt es abgesehen von der gemessenen Temperatur andere Kriterien, an denen Eltern sich orientieren können?

S. Thalhammer: Neben der Temperatur kommt es auch immer auf den Allgemeinzustand des Kindes an. Ist der gut, kann man zuwarten. Fiebert das Kind nicht ab oder verschlechtert sich der Allgemeinzustand, muss es dringend noch einmal untersucht werden, auch mitten in der Nacht. Schrilles Schreien ist auch ein Alarmzeichen. Infektionen können bei Kindern dramatisch verlaufen und es kann innerhalb von Stunden zu einer lebensbedrohlichen Situation kommen. Das möchte ich vermeiden.

Welche Mittel setzen Sie zum Fiebersenken ein?

S. Thalhammer: Wenn eine Behandlung notwendig ist, dann gebe ich den Kindern ein antiphlogistisches Antipyretikum. Denn Kinder mit Fieber haben auch eine Entzündung. Wird diese gelindert, nehmen auch Fieber und Schmerzen ab. Die Medikamente verordne ich auch für die Hausapotheke der Eltern, allerdings nicht für Kinder bis zum dritten Lebensmonat. In den ersten Monaten nach einer Geburt stürmt so viel Neues auf die Eltern ein, dass sie oftmals überfordert sind. Wenn das Kind krank wird und fiebert, dann ist es in dieser Zeit besser, mit dem kranken Kind zum Kinderarzt zu gehen und nicht durch Fiebersenkung Symptome zu verschleiern und Zeit zu verlieren. Mit drei Monaten erhalten die Kinder ihre erste Impfung und dann gebe ich den Eltern ein Antipyretikum für ihre Hausapotheke, für den Fall, dass das Kind Fieber oder Schmerzen hat. Von Paracetamol, das immer empfohlen wird, bin ich nicht überzeugt, weil es keine antiphlogistische Wirkung hat. Und die Behauptung, es sei für Kinder weniger toxisch, stimmt so auch nicht, denn es ist genauso toxisch wie andere Wirkstoffe aus der Gruppe der nichtsteroidalen Entzündungshemmer. Ich rate zu Zäpfchen, da das Verabreichen bei kleinen Kindern einfacher ist und die Wirkung schneller eintritt. Ab einem Alter von zwei bis drei Jahren verordne ich einen entsprechenden Saft. Schulkindern verschreibe ich Ibuprofen.

Oft setzen Eltern zunächst Hausmittel ein, ehe sie ein Medikament geben. Was halten Sie davon?

S. Thalhammer: Ziel einer fiebersenkenden Therapie ist, die im Körper gebildeten Pyrogene zu blockieren und so die krankhaft erhöhte Solltemperatur wieder zu normalisieren. Um die Abkühlung zu beschleunigen, empfehle ich den Eltern, ihr Kind mit einem feuchten, lauwarmen – nicht kalten – Frotteetuch abzuwaschen. Die althergebrachten Wadenwickel sind unnötig, denn sie verursachen den Eltern viel Arbeit und Kinder tolerieren sie meist schlecht. Wichtig ist auch, den Kindern Kohlenhydrate zu geben, um das Verbrauchen der Glukosereserve und damit das azetonämische Erbrechen zu verhindern. Ich rate dabei zu Traubenzucker, da er schnell über die Mundschleimhaut resorbiert wird. Fruchtsäfte oder trockene Kekse sind ebenfalls geeignet. Man kann auch frisches Brot nehmen, aber die Kekse haben den Vorteil, dass sie bröseln und das Kind mehr davon schluckt. Außerdem müssen die Eltern darauf achten, ausreichend Flüssigkeit zu ersetzen. Am besten zu beurteilen ist das anhand der Farbe des Urins. Ist er dunkel, braucht das Kind mehr Flüssigkeit. Im Zweifelsfall sollten die Eltern aber immer Kontakt mit ihrem Kinderarzt aufnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte:
Dr. Corina Ringsell

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