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49. Kongress der STAFAM: Hormone und Sexualität

Schwindende Hormone bei Frau und Mann

Wechseljahre der Frau und „window of opportunity“

Etwa 80 bis 90% aller Frauen leiden bei nachlassender Hormonproduktion in der Perimenopause unter Symptomen wie unregelmäßigen Blutungen, Hitzewallungen, Mastodynie, Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen oder Reizbarkeit, sagte Prim. Dr. Ewald Boschitsch, Ambulatorium Klimax, Wien. In der Postmenopause treten keine Blutungen mehr auf, die vasomotorischen, urogenitalen und psychischen Symptome können jedoch weiterbestehen. Allerdings seien die Symptome nicht in jedem Fall behandlungsbedürftig, erklärte er. Wichtiger sei die Prävention der Langzeitfolgen, allen voran der Osteoporose, gefolgt von kardiovaskulären Krankheiten. Boschitsch zeigte Zahlen zu Todesursachen von Frauen in Europa. An der Spitze liegen dabei mit rund 50% kardiovaskuläre Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz. Karzinome spielen dagegen eine kleinere Rolle.1
Die effektivste Behandlung eines Hormonmangels ist eine Hormonersatztherapie (HRT). Sie sollte in der frühen Postmenopause begonnen werden. Dieses sogenannte „window of opportunity“ umfasst die ersten zehn Jahre nach dem Einsetzen der Menopause. Wird die Behandlung später als zehn Jahre begonnen, können keine positiven Effekte mehr nachgewiesen werden.2 Neben dem richtigen Zeitpunkt sei der Administrationsweg der HRT wichtig, betonte Boschitsch. Anders als die orale Gabe geht die transdermale Verabreichung nämlich nicht mit einem erhöhten Risiko für Thrombosen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte einher.3–5 Hinsichtlich des Brustkrebsrisikos wies Boschitsch darauf hin, dass eine Östrogenmonotherapie dieses sehr wohl steigere. Wird Östradiol aber mit mikronisiertem Progesteron kombiniert, steigt das Krebsrisiko nicht an.6

Hormondefizit beim Mann – ein schleichender Prozess

Im Gegensatz zur Frau kommt es beim Mann nicht zu einem abrupten Ende der Hormonproduktion. Es handelt sich vielmehr um einen schleichenden Prozess, der unter anderem mit nachlassendem sexuellem Verlangen, kognitiven Störungen/ Depressionen, Schlafstörungen, Abnahme der Muskel- und Zunahme der Fettmasse einhergeht, erklärte Priv.-Doz. Dr. Markus Margreiter, Privatklinik Döbling, Wien.7 Andererseits ist eine sexuelle Dysfunktion oft mit Krankheiten wie Diabetes, metabolischem Syndrom und kardiovaskulären Leiden verbunden, weshalb man sie nicht isoliert betrachten, sondern immer weitergehende Untersuchungen vornehmen sollte, betonte er.8 Um einen Hormonmangel beim Mann zu diagnostizieren, sei neben der Messung des Gesamttestosterons (Blutabnahme zwischen 8 und 11 Uhr!) die Berechnung des bioaktiven oder des freien Testosterons hilfreich, so Margreiter.9 Er empfahl, zusätzlich das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) und Östradiol zu bestimmen. Letzteres lasse Rückschlüsse auf die Aktivität der Aromatase zu, die Testosteron zu Östradiol umwandelt, und könne bei der Wahl der Therapie hilfreich sein.

Therapeutisch wird bei einem Gesamttestosteron unter 2,5ng/ml und einem freien Testosteron unter 52pg/ml sowie immer bei symptomatischen Patienten die Testosteronsubstitution empfohlen.9 Noch immer würde sie von vielen Ärzten aus Angst vor einem gesteigerten Risiko für Prostatakrebs nur zögernd eingesetzt, so Margreiter. Dabei hätten Langzeitstudien gezeigt, dass das Krebsrisiko unter einer Testosteronsubstitution nicht höher ist als in der Allgemeinbevölkerung.10 Ein aktives Prostatakarzinom sei dagegen eine Kontraindikation für die Hormongabe, betonte er. Die Therapie sollte mit kurz wirksamen Präparaten in Form von Gelen begonnen werden, mit dem Ziel, niedrig-normale Testosteronwerte zu erreichen und die Symptome zu lindern. Gelingt es nicht, die Symptome zu bessern, sollte die Behandlung wieder abgesetzt werden, so Margreiter.

Bericht:
Dr. Corina Ringsell

Quelle:
49. Kongress für Allgemeinmedizin, 22.–24. November 2018, Graz

Literatur:

  1. Nichols M et al.: Eur Heart J 2014; 35: 2950-9

  2. Hodis HN et al.: N Engl J Med 2016; 374: 1221-31

  3. Renoux C et al.: J Thromb Haemost 2010; 8: 979-86

  4. Canonico M et al.: Stroke 2016; 47: 1734-41

  5. Løkkegaard E et al.: Eur Heart J 2008; 29: 2660-8

  6. Fournier A et al.: Breast Cancer Res Treat 2008; 107: 103-11

  7. Grober ED: Can Urol Assoc J 2014; 8: S145-7

  8. Mulligan T et al.: Int J Clin Pract 2006; 60: 762-9

  9. EAU Guidelines on Male Sexual Dysfunction 2018 (http://uroweb.org)

  10. Shabsigh R et al.: Int J Impot Res 2009; 21: 9-23

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