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49. Kongress der STAFAM

Neurologische Krankheiten: chronisches Fatigue-Syndrom und Demenz im Fokus

Die Fatigue ist ein Symptom vieler Krankheiten, wie Prof. Carmen Scheibenbogen, Institut für Medizinische Immunologie an der Charité in Berlin, ausführt. Bekannt ist die Fatigue im Zusammenhang mit Tumorkrankheiten und ihrer Therapie, aber auch beispielsweise Depressionen oder Burn-out, Vitamin- und Spurenelementemangel sowie chronische Infektionen können eine anhaltende Erschöpfung auslösen. Die Prävalenz liegt laut Scheibenbogen bei etwa 0,3%, wobei rund zwei Drittel der Betroffenen Frauen sind. Eine Besserung ist lediglich bei 10 bis 30% der Patienten möglich. Das chronische Fatigue-Syndrom (CFS) ist eine eigenständige Krankheit, die sehr plötzlich einsetzt. Auslöser ist meist eine akute Infektion, die oft in einer Zeit erhöhter Anfälligkeit auftritt, zum Beispiel in einer stressreichen Lebensphase oder nach einem schweren Trauma. In der Regel leiden die Patienten neben der Fatigue an weiteren neurologischen Symptomen, unter anderem kognitiven Störungen oder einer Reizempfindlichkeit. Außerdem haben sie laut Scheibenbogen immer Schmerzen, die sich beispielsweise als Kopf-, Hals-, Muskel- oder Gelenkschmerzen manifestieren können.

Die Diagnostik sei aufwendig und müsse in einer Hausarztpraxis unter Umständen in mehreren Schritten erfolgen, beginnend mit einem speziellen Fragebogen, so Scheibenbogen. Eine umfassende Anamnese und Laboruntersuchungen gehören zum diagnostischen Vorgehen. Letztere dienen auch zur Abgrenzung von entzündlichen Krankheiten, denn beim CFS ist das C-reaktive Protein (CRP) nicht erhöht. In der Anamnese sollten ebenfalls Autoimmunkrankheiten (des Betroffenen und in dessen Familie) erfragt werden, denn das CFS tritt häufig gemeinsam mit Krankheiten wie Hashimoto-Thyreoiditis, Fibromyalgie etc. auf

Therapeutisch würden derzeit Medikamente mit immunmodulatorischer Wirkung wie Rituximab, Edoxaban, hoch dosiertes IgG oder die Immunadsorption untersucht, führt Scheibenbogen aus. Allerdings gebe es nur wenige Studien, da nur sehr wenig zum CFS geforscht werde. Derzeit besteht die Behandlung zunächst in einer ausführlichen Information des Patienten über die Krankheit. Betont werden sollte dabei, dass die persönlichen Belastungsgrenzen nicht überschritten werden, da sich das CFS sonst verschlimmern kann. Natürlich müssten bestehende Infektionen sowie weitere begleitende Symptome wie Schlafstörungen oder Schmerzen behandelt werden, so Scheibenbogen. Außerdem sei eine wirksame Stresskontrolle wichtig, zum Beispiel mithilfe von Entspannungsverfahren, Tai-Chi o.Ä.

Normale Hirnalterung oder Demenz?

Prof. Reinhold Schmidt, Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Graz, befasst sich mit der Hirnalterung und dem Entstehen der Alzheimerdemenz. Die physiologische Hirnalterung geht in der Regel erst ab einem Alter von 75 Jahren mit stärkeren Funktionsverlusten einher. Allerdings weisen laut Schmidt rund 50% der Menschen ab 50 Jahre bereits eine Alzheimerpathologie im Gehirn auf, was jedoch nicht bedeutet, dass sie auch an Alzheimer erkranken. Was hinzukommt, sind mikrovaskuläre Veränderungen, die in geringem Ausmaß jedoch normal sind. Erst bei großflächigen, konfluierenden Läsionen könne man von einer Demenz sprechen, erklärt Schmidt.
Die frühe Diagnose der Alzheimerdemenz ist eine Herausforderung, da es sich um einen schleichenden Prozess mit einer langen präklinischen Phase von 20 Jahren und mehr handelt. Erste Befunde sind Amyloidablagerungen im Gehirn, die bereits lange vor einer Alzheimermanifestation mittels einer PET-Untersuchung dargestellt werden können. Als frühe diagnostische Marker können zudem vermindertes β-Amyloid (Aβ42) und vermehrte tau-Proteine (T-tau, P-tau) im Liquor dienen. Progressionsmarker, die jedoch erst in späteren Stadien der Krankheit relevant sind, sind MRT- und FDG-PET-Untersuchungen. Sie zeigen den klinischen Schweregrad der Alzheimerdemenz an. Derzeit gibt es eine Kategorisierung der Alzheimerdemenz anhand der Biomarker. Wie Schmidt kritisiert, würde dabei allerdings das klinische Bild nicht beachtet und viele Fragen seien weiterhin ungeklärt. Dazu zählen beispielsweise, welche präklinischen Stadien, die nur anhand von Biomarkern nachgewiesen wurden, welches Risiko für das Fortschreiten zur Demenz haben und wann sie konvertieren. Für Therapiestudien sei zudem kritisch zu hinterfragen, ob man jemanden einer Behandlung mit potenziellen Nebenwirkungen unterziehen darf, der möglicherweise niemals dement wird, gibt Schmidt zu bedenken.

Quelle: 49. Kongress für Allgemeinmedizin, 22.–24. November 2018, Graz

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