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Hausapotheke vs. öffentliche Apotheke

In Presseaussendungen der Österreichischen Apothekerkammer werden ärztliche Hausapotheken nur noch als "Notabgabestellen" bezeichnet; demgegenüber fordert die Österreichische Ärztekammer eine Liberalisierung in der Medikamentenversorgung durch Stärkung ärztlicher Hausapotheken zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in Krisenregionen.

Der Hintergrund

Gemäß §29 Apothekengesetz ist einem Arzt für Allgemeinmedizin mit Kassenverträgen eine ärztliche Hausapotheke dann zu bewilligen, wenn sich in der Gemeinde keine öffentliche Apotheke befindet und die nächstgelegene öffentliche Apotheke zumindest sechs Straßenkilometer vom Ordinationsstandort des Arztes entfernt ist. Für Nachfolger von Hausapotheken führenden Ärzten genügt ein Abstand von vier Kilometern. Wird eine neue öffentliche Apotheke eröffnet, müssen ärztliche Hausapotheken im Umkreis von vier Kilometern um die neue öffentliche Apotheke nach einer Übergangsfrist schließen.

Diese Regelung hat in der Vergangenheit zu teilweise grotesken Verteilungskämpfen um Standorte für öffentliche Apotheken und ärztliche Hausapotheken geführt – und führt auch weiterhin dazu: Öffentliche Apotheken werden in Containern im Niemandsland errichtet, um möglichst viele ärztliche Hausapotheken in der Umgebung zur Schließung zu zwingen, oder Ordinationen werden außerhalb des Kerngebiets von Gemeinden in Containern errichtet, nur um den Abstand von sechs Straßenkilometern zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke zu erreichen. Öffentliche Apotheken wiederum verlegen ihren Standort, um ärztliche Hausapotheken zu verhindern. Langwierige juristische Auseinandersetzungen um die Messung von Entfernungen waren und sind keine Seltenheit.

Einarztgemeinden besonders betroffen

Auf der Strecke bleiben Patienten, insbesondere jene, die zwar noch einen Hausarzt in ihrer Gemeinde haben, aber keine Medikamentenversorgung vor Ort, weil die betreffende Gemeinde zu klein für eine öffentliche Apotheke ist, aber doch zu nah an der nächsten öffentlichen Apotheke liegt. Dies betrifft vor allem sogenannte Einarztgemeinden, also Gemeinden, in denen nur eine Kassenplanstelle für Allgemeinmedizin vorgesehen ist. Es verwundert daher nicht, dass sich etwa 120 solche Einarztgemeinden zur (vom Autor unterstützten) "Plattform Einarztgemeinde" zusammengeschlossen haben und Unterschriften für die Aufhebung der starren Kilometergrenze von sechs bzw. vier Kilometern fordern. Dieser Forderung hat sich auch die Bundeswettbewerbsbehörde angeschlossen, die ausführt: "Insbesondere im ländlichen Raum ist es … nicht nachvollziehbar, warum ein Patient mit diagnostizierter Krankheit von einem behandelnden Allgemeinmediziner, bei möglicherweise nicht flächendeckendem öffentlichem Nahverkehr, noch mehrere Kilometer bis zur nächsten öffentlichen Apotheke für die Ausgabe von notwendigen, verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zurücklegen muss" (www.bwb.gv.at).

Die Österreichische Ärztekammer sieht sich durch die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrer Forderung nach Stärkung der Landmedizin auch durch Stärkung des Hausapothekensystems bekräftigt; die Österreichische Apothekerkammer wiederum veröffentlicht ohne Nachweis Horrorzahlen, wonach etwa ein Drittel der öffentlichen Apotheken sofort schließen müsste, wenn in jeder Einarztgemeinde eine Hausapotheke bewilligt werden könnte. Die beiden Berufsgruppen lassen auch keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig zu diskreditieren und einander für die ideale Versorgung notwendige Kompetenzen abzusprechen.

Politik auf dem Rücken der Patienten

Wie schon seit Jahrzehnten üblich, werden vor diesem Hintergrund die Interessen der beiden betroffenen Berufsgruppen gegeneinander aufgeboten und ausgespielt. In der Diskussion nimmt daher der Patienten­nutzen kaum Raum ein. Die Politik hat es bisher leider ebenso verabsäumt, unter Berücksichtigung der Faktenlage gerade den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten zu entsprechen. Politiker sind dazu gewählt, die Interessen der Wählerinnen und Wähler zu vertreten und nicht diejenigen der einen oder anderen Berufsgruppenvertretung. Diese etwas verkürzte Sichtweise rächt sich zwischenzeitlich, denn gerade auf dem Land ist die medizinische Versorgung durch politische Untätigkeit bzw. Fehlentscheidungen in höchster Gefahr. Schlechte Versorgungsbedingungen gehen mit schlechten Arbeitsbedingungen Hand in Hand. Wenn sich diese Grundeinstellung nicht ändert, steht die Existenz aller medizinischen Berufsgruppen und damit auch der Patientinnen und Patienten auf dem Spiel.

Gerade die Sicherung der Medikamentenversorgung durch die Stärkung des ärztlichen Hausapotheken­systems könnte einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum bieten.

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