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Günther Loewit: Landarzt und Schriftsteller

Einer, der genau hinschaut

Günther Loewit ist Arzt aus Leidenschaft: „Es hat für mich nie etwas anderes gegeben; ich wollte immer Arzt werden. Es ist nicht mein Beruf, es ist mein Leben.“ In die Wiege gelegt wurde ihm das nicht, obwohl es Mediziner in der Familie gab. Sein Urgroßvater war Pathologe und auch sein Vater war Arzt, aber als Pathologe in der Forschung tätig. Geprägt hätten ihn, der selbst ohne Bekenntnis ist, sicher die Kirchenbesuche in seiner Kindheit: „Dieses Heilen hat mich immer fasziniert. Wenn im Evangelium erzählt wurde, wie Jesus zum Gelähmten geht und sagt: ,Steh auf, nimm dein Bett und geh,, dann klingt das bis heute in mir nach“, sagt Loewit.

Obwohl der Arztberuf sein Leben ist, hat er sich stets auch gesellschaftspolitisch engagiert, zum Beispiel als Laienrichter oder in der Ärztekammer. Die Motivation dahinter war immer, sinnvolle Dinge am Leben zu erhalten. „Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie gut funktionierende Mechanismen mit der Zeit weggespült werden“, erklärt er. In dieser Überzeugung findet sich auch die Motivation für seine Sachbücher.

Günther Loewit, der Autor

„Ich habe immer geschrieben“, erzählt der Arzt. Bereits 1987 hat er mit dem Schreiben literarischer Arbeiten begonnen. 2004 erscheint sein erster Roman „Kosinsky und die Unsterblichkeit“ über das Leben einer jüdischen Familie im 20. Jahrhundert. Es sollte nicht der letzte bleiben. Insgesamt drei Romane hat Günther Loewit veröffentlicht. Es folgen „Krippler“ (2006), in dem es um die Zerrissenheit eines Geistlichen zwischen „weltlicher Macht“ und „kirchlicher Lust“ geht, und „Mürrig“ (2008). Auch in diesem Roman schaut der Autor seinem Protagonisten tief in die (zerrissene) Seele, er begleitet seinen Lebensweg – und letztlich sein Scheitern. „Der Themenkomplex der Romane ist ,Erbsünde‘, etwas, das in der Vergangenheit beginnt und fortwirkt. Medizinisch ist es die Prädisposition, die genetisch, aber auch psychosomatisch angelegt sein kann. Auch in der Erziehung gibt es so etwas wie ,nicht entkommen können‘“, so Loewit. „Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, die notwendigen Werkzeuge kennenzulernen, mit denen diese Zerrissenheit zu bewältigen ist.“ Seine Bücher versteht er daher auch als Aufruf, sein eigenes Schicksal zu verstehen, zu hinterfragen und Werkzeuge zu sammeln, um es zu bewältigen.

Ganz nah bei den Menschen

„Für die Ideen zu meinen Büchern muss ich meinen Patienten danken. Ich habe das große Glück, dass ich in meinem Beruf vielen Menschen sehr viel näher bin als die nächsten Angehörigen“, betont er. Oft würden Dinge mit ihm besprochen, die die Patienten selbst in ihrer Familie nicht ansprechen, weil sie dort nicht gehört oder nicht verstanden werden. „Ich höre ihnen zu und kann nicht verhindern, dass mein Gehirn diese Geschichten verwebt und fortspinnt.“

Erstaunlich ist, wie er die beiden Leidenschaften seines Lebens unter einen Hut bringt. „Zeitlich geht es schlecht“, gibt Loewit zu, aber: „Wir vergeuden jeden Tag so viel Zeit mit Sinnlosem. Ich stehe jeden Tag früh auf und ab sechs in der Früh schreibe ich eine Stunde. Man muss die Dinge tun!“ Das gibt der Arzt auch seinen Patienten mit auf den Weg, denn es sei egal, um was es geht – ums Abnehmen, mehr Bewegung, einen täglichen Spaziergang.

Wider die Medizin als Geschäft

„Hätte mein damaliger Verleger mich nicht gebeten, ein Sachbuch zu schreiben, würde ich immer noch Romane schreiben, denn eigentlich möchte ich Geschichten erzählen“, sagt der Arzt. Die Sachbücher, inzwischen sind es fünf, sind für ihn aber eine Möglichkeit, gehört zu werden, seinen Standpunkt deutlich zu machen: „Ich kritisiere, dass die Medizin ein riesiges Geschäft geworden ist.“ So analysiert Loewit in seinen Büchern „Der ohnmächtige Arzt“ und „Wie viel Medizin überlebt der Mensch?“ die Probleme unseres Gesundheitswesens, in dem die Heilkunst zwischen überbordender Bürokratie, Profitstreben und schwindendem Respekt vor dem Arzt auf der Strecke zu bleiben droht. In „Sterben: Zwischen Würde und Geschäft“ plädiert er für mehr Respekt und eine menschenwürdige medizinische Begleitung in der letzten Lebensphase, und in „Wir schaffen die Kindheit ab!“ prangert er falsch verstandene Kindesliebe zwischen „Helikoptereltern, Förderwahn und Tyrannenkindern“ an.

In seinem aktuellen Buch „7 Milliarden für nichts“ hat er seine Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten mit akribischer Recherche verknüpft. „In diesem Buch sind es die Geschichten, die das Wesen des Buches ausmachen“, sagt Loewit. Die Recherche zu den Zahlen sei nur der Aufhänger für die Geschichten gewesen, erklärt er. „Wir geben 10, 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Gesundheitswesen aus. Sehr viel davon verschwindet aber zum Beispiel in der Konstruktion von Kranken, die eigentlich gesund wären. Wenn wir unsere Energie wieder verwenden würden, um für die Hilfesuchenden, Kranken oder Leidenden da zu sein, dann wäre das Ganze wesentlich effizienter und billiger“, ist der Arzt überzeugt und ergänzt: „Ich bin für jede Maßnahme, die das Leben verlängert, aber ich wehre mich gegen Maßnahmen, die das Sterben verlängern.“ Besser sei es, einen Teil dieser Ressourcen in das Überleben der Gesellschaft zu investieren, zum Beispiel in junge Familien. „Vielleicht würden dann wieder mehr Kinder geboren, und mit mehr Kindern würde das Projekt Gesellschaft wesentlich besser funktionieren.“ In diesem Spannungsfeld sieht Loewit das Gesundheitssystem und die medizinische Tätigkeit. Die Schwierigkeit: Wer trifft die Entscheidung, welche Maßnahmen sinnvoll sind? Hier ist laut Loewit der Arzt als Vermittler der Heilkunst gefragt, individuelle Lösungen zu finden und den Willen des Patienten einzubeziehen: „Wenn man mit dem Patienten spricht und ihm zuhört, dann kommt man oft zu einfachen, kostengünstigen und für den Patienten beglückenden Entscheidungen.“ Auf keinen Fall dürfe es Altersgrenzen für bestimmte Behandlungen geben, betont er. Andererseits sei es nicht sinnvoll, einem bettlägerigen Patienten ein neues Hüftgelenk zu geben oder jeden Patienten mit Rückenbeschwerden zur Computertomografie zu schicken.

01 Anstatt sich mit der zunehmenden Bürokratie in der Allgemeinarztpraxis zu beschäftigen ...

02 ...würde Dr. Günther Loewit sich lieber auf den Weg zu seinen Patienten machen.

© Lukas Beck

Was gegen den Ärztemangel zu tun ist

„Wir brauchen mehr Ärzte und keine Mediziner, die Statistiken auswendig lernen“, mahnt Loewit. Der Berufsstand habe sich die Versorgung der Patienten, ohne es zu merken, aus der Hand nehmen lassen, kritisiert er. Das machten jetzt die Rettung, die Flotte des ÖAMTC, Apotheker, Wunderheiler und viele andere mehr. „Ich plädiere dafür, unter jungen Menschen zu entdecken, welche von ihnen mögliche Ärzte sind, und sie zu fördern. Man sollte genau prüfen, ob der Arztberuf das Richtige für sie ist, zum Beispiel sie neben dem Studium in der Pflege und medizinischen Hilfsberufen einsetzen, damit sie sich selbst erfahren.“ Die Medizin müsse wieder an die zurückgegeben werden, denen sie ursprünglich gehörte: an Patienten und Ärzte.

Der zweite wesentliche Punkt ist der Faktor „Zeit“. „Wir müssen uns wieder Zeit nehmen für das Gespräch, Zeit zum Zuhören und Verstehen, manchmal Zeit für das kontrollierte und sorgfältige Zuwarten und Zeit, gemeinsam mit dem Patienten den Weg zu gehen“, fordert Loewit. Als Wahlarzt habe er in dieser Beziehung einen Vorteil gegenüber Kassenärzten, die oft nur noch Medikamente verteilen könnten, weil ihre Ordinationen überfüllt sind. „Ich lerne durch meine Patienten und mit meinen Patienten, dass wir durch Gespräche, die den Patienten in der Summe weniger kosten als zahlreiche Medikamente, die er bisher hatte, mehr erreichen können.“ Um mehr Zeit für die Patienten zu haben, müsse die überschießende Bürokratie abgebaut werden, fordert Loewit.

Und schließlich wünscht sich der engagierte Landarzt, dass der Beruf des Allgemeinmediziners am Land wieder attraktiver gemacht wird. Neben dem Abbau der Bürokratie sind dafür bessere Honorare nötig: „Die Honorare sind in den vergangenen 35 Jahren de facto jedes Jahr um zwei bis drei Prozent gesunken. Als Ersatz für die fehlenden Ärzte ist die Rettung in die Bresche gesprungen, und die Kassen freuen sich, dass sie so weniger Kosten haben. Das ist perfide und undurchschaubar“, kritisiert Loewit. Dennoch spricht in seinen Augen sehr viel für ein Leben als Landarzt, zum Beispiel der Reichtum an Erfahrung. „Es ist ein wunderbares Leben, wenn man es will.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bericht:

Dr. Corina Ringsell


Buchtipp

7 Milliarden für nichts

Es braucht mehr Ärzte, die mit Herz, Hirn und Hausverstand arbeiten können und dürfen, damit die Patienten optimal versorgt sind.
Doch eine aufrufende Bürokratie und groteske Schildbürgerstreiche im Gesundheitswesen stehen dem oft im Wege und viele gute Ärzte werden in diesem System zerrieben. Der Landarzt Dr. Günther Loewit zeigt eine ungute Entwicklung auf, die schon seit Jahrzehnten am österreichischen Gesundheitssystem nagt. Er zeigt, wie viel dringend nötiges Geld sinn- und planlos vergeudet wird und wo es besser eingesetzt wäre. Zudem fordert er dringend, den Hausarztberuf aufzuwerten – durch bessere Ausbildung, Gleichstellung mit den Fachärzten, angemessene Honorare und die ihnen gebührende Anerkennung.

Dr. Günther Loewit: 7 Milliarden für nichts.
edition a, 224 Seiten, € 22,00; ISBN: 978-3-99001-372-4


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