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Ärztliche Verschwiegenheitsverpflichtung

Entbindung nach dem Tod des Patienten?

Die Verschwiegenheitsverpflichtung besteht nicht bei gesetzlichen Meldepflichten, in bestimmten Fällen gegenüber Sozialversicherungs- und sonstigen Kostenträgern, bei Entbindung durch den Patienten oder die von der Offenbarung des Geheimnisses betroffene Person sowie zum Schutz höherwertiger Interessen der Gesundheitspflege oder der Rechtspflege (§54 Abs 2 und 3 Ärztegesetz).

Die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht ist wohl der wichtigste Grund für die Durchbrechung des Berufsgeheimnisses. Eine Entbindungserklärung ist an keine bestimmte Form gebunden. Sie kann schriftlich, mündlich, aber auch konkludent erfolgen und ist jederzeit widerrufbar.

Es ist unbestritten, dass das Recht zur Entbindung nicht im Erbweg auf Rechtsnachfolger übergeht: Das Recht zur Entbindung ist ein höchstpersönliches Recht des Patienten oder des von der Offenbarung des Geheimnisses Betroffenen (der ja nicht immer der Patient sein muss).

Verstirbt der Patient, kann er den Arzt naturgemäß nicht mehr – auch nicht konkludent – von der ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung entbinden. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit Angehörige – etwa zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen oder zum Beweis der Testier(un)fähigkeit des verstorbenen Patienten – in dessen Krankenakten einsehen dürfen oder nicht. Hierzu führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die Erben oder nahen Angehörigen des Verstorbenen zur Einsicht berechtigt seien, wenn sie ein berechtigtes Interesse hätten und der Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen nicht entgegenstünde. Das treffe zu, wenn seine Einwilligung zur Offenbarung zu mutmaßen sei (1 Ob 341/99z u.a.). In einer zuletzt ergangenen Entscheidung bekräftigte das Höchstgericht diese Rechtsansicht im Zusammenhang mit Fragen der Testierfähigkeit des verstorbenen Patienten: Es sei eine hypothetische Einwilligung zur Herausgabe ärztlicher Unterlagen zur Klärung der Testierfähigkeit anzunehmen, es sei denn, der Patient hätte zu Lebzeiten ausdrücklich anderes angeordnet (2 Ob 162/16m).

Wer entscheidet nun, ob die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht oder nicht? Wohl zunächst der betroffene Arzt selbst, der eine entsprechende Interessenabwägung vornehmen muss. Hat der verstorbene Patient zu Lebzeiten angeordnet, dass keinerlei Auskünfte erteilt werden dürfen, bleibt es dabei. In allen anderen Fällen wird die Interessenabwägung wohl grundsätzlich für eine Auskunftserteilung sprechen, wenn ein berechtigtes Interesse des Auskunft Begehrenden vorliegt. In Zweifelsfällen wird im Zivilverfahren das Gericht zu entscheiden haben, ob die Aussage verweigert werden darf oder nicht (§ 324 ZPO; im Strafverfahren besteht zum Schutz der Rechtspflege ohnehin kein Zeugnisverweigerungsrecht).

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